Venedig ist überwältigend schön. Früher wollte ich die Stadt unbedingt meiden, um sie nicht mit Tausenden Touristen teilen zu müssen, die sie täglich besuchen. Mein erster Besuch in Venedig hat das geändert. Seither versuche ich Venedigs Einzigartigkeit zu entschlüsseln. Jeden Besuch stelle ich unter ein Thema, das mich führt. Diesmal sind es Leonardo da Vinci und drei verschiedene Orte für Kunst: Kunst der Renaissance, der Moderne und Zeitgenössische Kunst. Eine gute Mischung! Für die Übernachtungen in Venedig habe ich eine ideale Entdeckung gemacht: Zum Schlafen fahre ich auf eine Insel wie die Isola Certosa. Dort gibt es keine Palazzi, aber dafür Wasser, Wasser, Wasser und Boote gleich nach dem Frühstück – mein perfekter Start in jeden Venedigtag. Der Bonus: Wenn es am Abend später wird oder ich mich verlaufe, holt mich ein Boot ab und setzt mich über zur Insel!
Leonardo da Vinci in der Galleria dell’Accademia
Die Brücke der Akademie (Ponte dell’Accademia) mit ihrem Ausblick auf den Canale Grande gehört zu meinem Lieblingsbrücken in Venedig. Dann stehe ich schon vor der Galleria dell’Accademia.
Die Schlange vor dem Eingang schreckt mich nicht. Die Frühaufsteher beenden gerade ihren Rundgang und die Sonne scheint! Die Biennale habe ich schon verpasst (montags geschlossen), mit Leonardo da Vinci wird es mir nicht so ergehen. Die Sonderausstellung „Leonardo da Vinci – der universale Mensch“ (noch bis 1. Dezember 2013), eine einzigartige Begegnung mit dem Genie und Wissenssüchtigen, lasse ich mir nicht entgehen. Um zu verstehen, was gezeigt wird, ein kleiner Blick auf Leonardos Leben.
„Wer wenig denkt, irrt viel.“ Leonardo da Vinci
Leonardos Vater war ein erfolgreicher Notar, der auch für die Medici tätig war. Als freier Künstler hatte Leonardo die Unterstützung Lorenzo de Medicis, der ihn später den Mailänder Sforza empfahl. So gelangte er nach Mailand, wo er mehr als zwanzig Jahre arbeitete. Anlass für die Suche nach einem Künstler war die geplante Errichtung eines Reitermonuments für den Gründer der Sforzadynastie Francesco Sforza. Leonardo beschäftigte sich, neben anderen Arbeiten, ausführlich mit Studien für dieses Reitermonument, indem er Bewegungen und Anatomien von Pferden analysierte und skizzierte. Interessanterweise bewarb er sich angesichts eines bevorstehenden Konflikts mit der Republik Venedig besonders ausführlich mit seinen Kenntnissen in Militärtechnik. L’uomo universale, Leonardo da Vinci als Universalgelehrter – seine Weitsicht als Ingenieur und sein Weltverständnis zeigen sich in seinen stadtplanerischen Fähigkeiten. Er hatte die Verbindung von Pest und Sauberkeit erkannt und entwarf die erste Müllentsorgung in Mailand, die über die Mailänder Kanäle navigli in Booten abgewickelt wurde. Aus dem Jahr 1492 stammt die bekannte Proportionsstudie Vetruvianischer Mensch, die ebenfalls in Accademia zu sehen ist.
Die Ausstellung besteht aus dreißig Skizzen, Entwürfen da Vincis, die nicht permanent ausgestellt werden und weiteren grafischen Arbeiten aus italienischen und europäischen Museen.
http://www.gallerieaccademia.org/
Moderne – Peggy Guggenheim Sammlung
Vor der Sammlung Peggy Guggenheim erwartet mich die zweite lange Schlange und gibt mir damit Zeit auf das grüne Wasser des Kanals zu starren, Fische zu beobachten und dem europäischen Sprachgewirr zu lauschen. Wer wie ich auf Reisen zu Rastlosigkeit neigt, schätzt so eine Wartezeit. Wer seinen Besuch auf den Tag genau geplant hat, kann das auf der Website der Guggenheim Sammlung reservieren.
Peggy Guggenheim war eine herausragende Sammlerin zeitgenössischer Kunst, die ihr erstes Museum in London 1938 eröffnet hatte. Die in Europa lebende Amerikanerin kaufte „jeden Tag ein Bild“. Nach dem Krieg kehrte sie 1947 nach Europa zurück und ließ sich in Venedig nieder. Hier erwarb sie den Palazzo Venier dei Leoni am Canale Grande, um dort zu wohnen. Schon 1949 öffnete sie den Garten mit einer Ausstellung von Plastiken für Besucher.
Die Sammlung Peggy Guggenheim zeigt Werke von Pablo Picasso, Georges Braque, Fernand Léger, Paul Klee, Max Ernst (mit dem Peggy Guggenheim verheiratet war), Wassili Kandinsky, Marc Chagall, Salvador Dalí und viele mehr.
Zeitgenössisch – Palazzo Grassi
Ausstellungsraum zeitgenössischer Kunst der François Pinault Stiftung. Rudolf Stingels neo-religiöse Bildnisse auf Teppich(druck)en. Ich bin angetan und beschäftige mich mit der Drucktechnik derselben (eher gedruckt und nicht gewebt).
www.palazzograssi.it (Tickets online erhältlich)
Meine Lektüre-Tipps Venedig
- Peter Ackroyd: Venedig: Die Biographie
- Reiseführer Venedig, Lonely Planet: Venice & The Veneto: City Guide (Lonely Planet Venice & the Veneto)
- Katalog Leonardo da Vinci L’Uomo Universale: Leonardo da Vinci. L’uomo universale. Catalogo della mostra (Venezia, 1 settembre-1 dicembre 2013)
- Petra Reski (deutsche Autorin und Journalistin, die seit 20 Jahren in Venedig lebt) schreibt über Venedig und das Leben in der Stadt (hier den aktuellen Stand der Schiffsplage)