In Mailand ist Fashion Week – oder italienischer – Milano Moda Donna. Es ist kalt – die fellgefütterten Pantoffeln von Gucci, die jetzt alle tragen, haben auf jeden Fall ihre Berechtigung. Mein Ziel: die Mailänder Fashion Week besuchen! Und herausfinden, wie das ohne Einladung zu Modenschauen und Präsentationen möglich ist.
Es ist Samstag und die Schauen von Gucci, Prada und Versace sind schon gelaufen. Ich stehe in der Via Bergognone (Zona Tortona) vor dem Reich des Mailänder Modealtmeisters und meinem Lieblingsdesigner Giorgio Armani. Atmosphäre schnuppern, Leute gucken, neugierig sein. Seit meinem Mailand-E-Book bin ich doch vom Fach, denke ich mir, während ich Augen und Ohren offen halte.
Mailand Fashion Week besuchen – Atmosphäre schnuppern vor der Armani-Schau
Unwillkürlich folgt mein Blick bewundernd den perfekt-elegant gekleideten Modeprofis, die die Schau besuchen. Die Influencer-Aspiranten davor haben sich durchweg für farbenfrohe Mäntel entschieden – auffallen ist wichtig im Mailänder Wintergrau. Schließlich hat schon manch ein Streetstyle-Shot eine Karriere begründet. Klar hält sich vor den Türen bei Armani die Aufregung in Grenzen. Der Erfinder des Farbtons Greige und Verfechter der Jacke als unverzichtbarem Outfitteil setzt auf klassische Konzepte. Minderjährige Influencer in der First Row? Braucht Armani nicht.
Eine Schau zu sehen, das wär’s! Wer es als Influencer zu Reichweite und Status gebracht hat, läuft mit seiner Einladung lässig an den Einlassern vorbei. Wie die Einkäufer und Journalisten. Auf der viermal im Jahr stattfindenden Milano Moda (donna im Februar und September, uomo im Januar und Juni) stellen die Modehäuser ihre Kollektionen dem Fachpublikum vor. Doch auch wer nicht zum Fachpublikum gehört, hat einige Möglichkeiten, bei der Mailänder Fashion Week dabei zu sein.
Die Schauen gibt es im Livestream auf der Seite der Camera Nazionale della Moda Italiana CNMI (donna www.milanomodadonna.it, uomo www.milanomodauomo.it). Es lohnt sich, einen Blick auf den Schauenkalender mit den Angaben zu den Locations zu werfen. Denn es kann vorkommen, dass eine Modenschau im Freien stattfindet, wie Gucci 2017 auf dem Domplatz. Dann bitte rechtzeitig vor Ort erscheinen und zusehen. Wer gerne Promis schaut oder einfach Atmosphäre oder einen Blick auf die Streetstyle-Stars erhaschen möchte, findet sich vor dem Defilee des Lieblingsdesigners ein und mischt sich unter das wartende Publikum.
Als Anna Wintour eintrifft – hatte ich sie nicht eben noch in London neben der Queen gesehen? – und schnellen Schrittes ins Armani Teatro schlüpft, beginnt wenig später die Schau.
Armani Silos – Ein Meister feiert sich selbst
Anstatt des aktuellen Defilees betrachte ich die schönsten Outfits aus dem Oeuvre Giorgio Armanis. In den Armani Silos sind sie zur Bewunderung ausgestellt. Nach einem wunderbar cremigen Cappuccino im Café hier drehe ich meine Runden auf den vier Etagen mit Kleidern, Jacken, Anzügen und Accessoires aus vier Jahrzehnten Mailänder Modegeschichte. Beim nächsten Mal dann mit Audioguide, denn ich würde zu gern die Geschichten zu manchen Outfits kennen.
Als ich wieder auf der Straße stehe, hat sich die Szenerie verändert. Auf einmal ist es voll. Im Vorbeigehen schnappe ich auf, dass zur zweiten Schau die Prominenten eingeladen sind.
Zona Tortona Fashion District
Jetzt nehme ich mir Zeit, mich auf der Via Tortona umzusehen. Hier bin ich mitten im Tortona Fashion District von Mailand. Das einstige Industrieviertel steht für Fabriken und Arbeiterwohnhäuser, die case di ringhiera – mehrstöckige Gebäude mit Außentreppen und Innenhöfen, wie an der Via Tortona. Nach einer Zeit des Leerstands und des Verfalls begannen sich hier in den 1980er Jahren Künstler und Fotografen anzusiedeln, wie die Gründer des „Superstudio“ im ehemaligen Lokomotivendepot an der Porta Genova, heute als Fotostudios und Location für Modenschauen und Präsentationen genutzt. 2001 zog mit Armani der erste etablierte Designer in die Zona Tortona. In eine alte Schokoladenfabrik, die er sich von Tadao Ando zum Teatro Armani umgestalten ließ. Weitere Modehäuser wie Tod’s, Moncler, Diesel und Zegna folgten ihm nach. Seit 2002 findet in Tortona – zeitgleich mit der Fashion Week – die Modemesse White für Contemporary Fashion statt.
Die Pop-up-Showrooms der Fashion Bites Tortona sind das i-Tüpfelchen, das aus dem Quartier ein Modemessegelände macht. Und ich bin auf einmal mittendrin.
Designzukunft im Fashion Hub Market
Wo Leonardo da Vincis Erfindungen zum Leben erweckt wurden (Museo delle Scienze) präsentieren 14 junge Designer ihre neuen Kollektionen (Fashion Hub Market).
Junge Designer haben sofort meine Sympathie. Klar, allem Anfang wohnt ein Zauber inne. Doch wer sich mit Modedesign und Labelgründung auf das Parkett wagt, muss mit Superkräften ausgestattet sein. Oder mit einer überzeugenden Vision, wie Karen Jessen von Benu Berlin.
Nachhaltige Mode im Quadrilatero d’Oro
Wer in Mailand erst einmal einkaufen gehe, habe die Stadt verstanden, habe ich gelesen. Nun, es ist Wahlkampf in Italien und die Metro hält wegen einer Kundgebung auf dem Domplatz nicht an der Station Duomo. Deshalb steige ich in San Babila aus und gehe auf einen Sprung ins nahegelegene Max Mara Outlet (InTrend, Galleria San Carlo 6). Für die Entscheidung oder gegen einen Kamelhaarmantel reicht die Zeit allerdings nicht.
Auf der Via Montenapoleone (3 min zu Fuß) ist viel los, typisch Samstag Nachmittag. In der Via Sant’Andrea ist es wieder ruhiger. Im Palazzo Morando erwarten mich die “Next Green Talents”, eine Präsentation junger Designer mit Schwerpunkt Nachhaltigkeit, eine Initiative von Vogue Italia und Yoox. Auch hier sind die Modelle zum Anfassen ausgestellt.
Eine Entdeckung ist die permanente Ausstellung im Palazzo mit vielen Gemälden des alten Mailands, wie dem Dom ohne Marmorfassade oder den Navigli und ihrer Umgebung. Wer Mailand näher kennenlernen möchte, sollte beim Bummel durch das Quadrilatero d‘Oro im Palazzo Morando (Via Sant’Andrea 6) vorbeischauen.