Stundenlang unterwegs auf dem grünblauen Wasser des Lago Maggiore, über sich nur den leicht bedeckten Himmel, am Ufer ziehen langsam die Küstenlandschaft und Orte vorbei. Letztere kommen bei den Halten zum Entdecken nah. Wer sich die Zeit nehmen will, geht für einen Besuch von Bord und steigt später auf ein anderes Schiff wieder dazu. Die zweifellos beste Art den Lago Maggiore kennenzulernen ist eine Bootsfahrt mit dem „Lago Maggiore Express“. Sie führt als Rundreise über den gesamten See und kombiniert diese mit angrenzenden Tälern. Wer sich für die eintägige Fahrt entscheidet, genießt vor allem die Boots- und Zugfahrt. Die zweitägige Variante lässt Zeit für Kurzbesuche einiger Orte auf der Route.
Wir starten unsere Reise in Stresa am Borromäischen Golf mit den zauberhaften Borromäischen Inseln vor der Nase. Zusteigen kann man auch an jedem anderen Ort am See wie Arona, Baveno, Pallanza, Intra, Laveno, Liono, Cannobio. Die Reise kann so individuell geplant werden.
Das Schiff
Das Schiff ist geräumig, mit zwei großen Sonnendecks unter freiem Himmel (Sonnenschutz!) die einen ungehinderten Blick auf See, Himmel und Berge eröffnen. Es gibt Seitendecks mit schattigen Plätzen, einen geräumigen Innenbereich mit Bar. Ich spüre kurz den Wunsch aufkommen, auf eine Flusskreuzfahrt zu gehen – von meinem Platz aus würde ich die magischen Orte vorbeiziehen sehen. Ich könnte jederzeit an Land gehen.
Wir durchqueren den Borromäischen Golf und nähern uns Pallanza, dann umfahren wir das halbinselartig in den See ragende Verbania und gelangen nach Intra. Dann beginnt die Fahrt nach Norden, die uns bis nach Locarno bringen wird.
Die Sonne brennt und die Sicht ist diesig. Ich wünschte, die englischen Touristen behielten ihre Oberbekleidung an, vergeblich. Ich flüchte nach unten in die Kühle und betrachte die historischen Fotografien. Die Inseln nur per Ruderboot zu erreichen, der Lago Maggiore ganz ohne Motorenlärm. Hier würde ich gern in eine Zeitreise einsteigen. Viertel nach zwölf beginnt das Mittagessen. Wir haben vorbestellt und auf dem Boot bar bezahlt. Die Sonne macht hungrig.
Inseln von Brissago und Schweizer Grenze
Dann taucht die Burg von Cannero auf, die ehemalige Burg. Wer mag, kann aus den Fenstern der Ruine direkt in den See springen. Später folgt Cannobio, letzte Station vor der Schweizer Grenze – beschauliches Städtchen mit Markt. Wir fragen uns, ob die Grenze vom Wasser aus sichtbar sein würde. Man sieht keine Grenze, kann vielleicht die Grenzgebäude am Ufer erraten. Wenig später tauchen die Brissago-Inseln auf, sie liegen bereits in der Schweiz.
Spätestens als wir uns Ascona nähern ist klar: die Gebäude unterscheiden sich beträchtlich. Die italienischen Häuser sind fast altertümlich scheinende, klassische Wohnhäuser, die schweizerischen moderne Feriendomizile mit großen Fenstern und Balkonen.
Locarno
Wir verlassen den See und gehen in Locarno an Land. Das 15.000 Einwohner-Städtchen ist der wärmste Ort der Schweiz und zeichnet sich durch 2.300 Sonnenstunden im Jahr aus. Im Sommer finden auf der Piazza Grande Open-Air Konzerte wie das Moon and Stars statt. Alljährlich wird auf dem Internationalen Filmfestival der Pardo D’Oro (Goldener Leopard) verliehen. Die Locarno umgebenden Täler laden zu Wanderungen in Kastanienwäldern, entlang Bergbächen ein und anschließender Einkehr in ein „Grotto“ genanntes Lokal zu einem Glas Wein. Hier steigen wir in die Centovallibahn ein, die uns durch das Centovalli nach Domodossola bringen wird.
Centovalli
Tiefe Schluchten, hohe Brücken und tief unten rauscht die Melezza in ihrem steinernen Flussbett – das Tal der hundert Täler „Centovalli“ macht Eindruck. Möglich wird meine Reise durch die 1923 eröffnete Centovallibahn, mit ihren 79 Brücken und 24 Tunneln. Sie sollte dem Tal wieder zu neuem Leben verhelfen, nachdem die schwindelfreien(!), jungen Leute stets in die Städte abwanderten – und machte das Reisen und Auswandern doch nur leichter.
Berg- und Talsüchtige bringt die Bahn heute vorbei an Weinreben, Kastanienwäldern von Locarno nach Domodossola. So komplettiert sich mein Bild des Lago Maggiore an einem Tag: der ganze See und umliegende Täler. Diese Kombination faszinierte die Besucher von jeher. Tipp: Wer auf den anderthalb Stunden auf spektakuläre Aufnahmen hofft, sollte in Fahrtrichtung auf der linken Seite des Zuges Platz nehmen und mindestens 10 Minuten vor Abfahrt den Zug aufzusuchen.
Domodossola
Domodossola (18.400 Einwohner) ist eine schöne Stadt römischen Ursprungs, die alpine und südliche Atmosphäre vereint. Sie liegt am Fluss Toce, im Zentrum der Ossola-Täler und wurde durch ihre strategischen Lage an der Passstraße (erbaut durch Napoleon 1805) zum Simplonpass früh ein wichtiger Umschlagsort. Im Jahr 1944 war die Stadt für 40 Tage die Hauptstadt der von den Partisanen gegründeten Republik Ossola.
In Domodossola zeigt sich nun der Nachteil der Eintagestour: Wir haben gerade 10 Minuten Zeit, um schnell auf dem Markt Käse und Salami zu kaufen. Dann geht unser Zug zurück nach Stresa.
Tipps für Lago Maggiore Fans
- Transportmittel und Fahrpläne (jede Station gibt einen kompletten Fahrplan mit Verbindungen für die Tour zurück zum Ausgangspunkt)
- Mittagessen auf dem Schiff unbedingt telefonisch reservieren, Bezahlung in bar bei Eintreffen auf dem Boot, Kosten 17 Euro pro Person (Juni 2013)
- Personalausweis mitnehmen (auch wenn Kontrollen eher nicht zu erwarten sind)
- Auf Wetterwechsel einstellen (Jacke oder Pullover mitnehmen)