Nachhaltiges Reisen – (Wie) geht das?

Reisen, die Welt sehen, in fremde Kulturen eintauchen – für viele von uns ein Traum, den wir einfach leben. Wir nehmen uns diese Freiheit. Wir gehen auf Fernreisen oder fliegen zum Kultur- oder Shoppingwochenende in eine europäische Stadt. Das Reisen gehört dazu, zum vollen Leben. Nachhaltigkeit oder gar Klimaschutz sind dabei weniger ein Thema. Wer will schon mit dem Zug oder einem Fernbus nach Bangkok reisen? Auch ist eine Reise über Land nach Indien wie zu Zeiten der Hippietrails heute gar nicht mehr möglich.

Wie wohl jeder kenne ich Menschen, die es schaffen, ganz auf das Fliegen zu verzichten. Sie glauben, Klimaschutz fange bei jedem Einzelnen an und empfinden ihren Verzicht auf das Fliegen als ganz normal. Es hat etwas Asketisches und ich bewundere diese Haltung – vielleicht auch, weil mir selbst diese Disziplin fehlt. Ansätze und guter Wille waren vorhanden. Doch ich gestehe: meine transalpine Fernbeziehung überstand die Jahre der Ferne vor allem dank gemeinsamer Wochenenden und Easyjet. Ob privates Dilemma oder fehlendes Verantwortungsgefühl – geht nachhaltiges Reisen überhaupt? Oder gilt nur absoluter Verzicht als sinnvoller Versuch, klimafreundlicher zu Reisen?

Das Reisen, der Tourismus stehen klimaschutztechnisch nicht schlecht da, denn für die meisten Probleme sind laut Wolfgang Stradas, Professor für nachhaltigen Tourismus in Eberswalde, Lösungen möglich. Einzige Ausnahme: das Fliegen. Es macht den Brocken von bis zu 10 Prozent aller Treibhausgase aus, die dem Tourismus weltweit zugeschrieben werden.

Du kannst (immer) etwas tun

Da sich das Fliegen oft nicht vermeiden lässt, verwendet die Schweizerische MyClimate-Stiftung das Motto: Vermeiden – Reduzieren – Kompensieren. Nicht zu fliegen ist die beste Option. Das ist nicht immer möglich. Ich sollte daher Flüge möglichst reduzieren. Wenn diese nicht vermeidbar sind, kann ich die ausgestoßenen Treibhausgase durch eine kleine Investition in ein Klimaschutzprojekt wieder binden, sie kompensieren. Die Schweizer Klimaschutzstiftung MyClimate oder die deutsche Organisation Atmosfair bieten diese Kompensation (auch für Kreuzfahrten) auf ihren Webseiten an.

Seltener fliegen – länger bleiben

Das Forum Anders Reisen, ein Verband von Reiseveranstaltern, die sich dem nachhaltigen Tourismus verpflichtet haben, empfiehlt in seinen Kriterien für die Anreise unter anderem:

umweltschonende Anreise mit Bus oder Bahn und Urlaubslänge, Aufenthalt, Reisezeit und Entfernung müssen in einem vertretbaren Verhältnis stehen. So dürften Flügen unter einer Entfernung von 800 km nicht angeboten werden. Überlandreisen werden vor Ort Inlandsflügen vorgezogen.

In Europa sollte nicht geflogen werden. Wer es eilig hat, kann auf einige richtig schnelle Zugverbindungen zurückgreifen. Auch London – Mailand ist per Zug gut möglich, dann muss ich aber deutlich mehr Zeit einplanen. Fernbusse sollen am klimafreundlichsten sein. Für Reisen in Europa kann ich die Auswirkungen meines Verkehrsmittels auf Ecopassenger http://www.ecopassenger.com/ vergleichen. Für die Strecke Berlin – Mailand muss ich für das klimafreundlichste Verkehrsmittel Zug zwölf Stunden einplanen. Per Flugzeug sind es mit An- und Abreise etwa drei Stunden. Hm … grandiose Alpenpanoramen, ein bequemes Schlafabteil, Zeit zum Arbeiten, ein gutes Essen während ich durch die Landschaft rolle – eigentlich keine schlechte Option! Es erfordert nur ein Umdenken und Umorganisieren meiner herkömmlichen Zeitplanung.

Auto – Zahl der Insassen erhöhen

Das Auto, immer noch das beliebteste Transportmittel für die Urlaubsreise, ist ein Joker. Bei durchschnittlicher Auslastung von 1,5 Personen ähnlich klimaschädlich wie das Flugzeug, verwandelt es sich voll besetzt in ein fast umweltfreundliches Fahrzeug, wenn ich vom Feinstaub absehe. Eigentlich spricht nichts gegen mehr Mitfahrende im Auto: mehr Spaß, mehr Fahrer, schnelleres Ankommen.

Flüge: vermeiden – reduzieren – kompensieren

Mein Vorsatz für das neue Jahr: Ich folge den Empfehlungen der Klimaschützer von Atmosfair und kompensiere meine unvermeidbaren Flüge. Für einen Hin- und Rückflug Berlin – Neapel, der etwa 640 kg CO2 Emissionen verursacht, zahle ich 15 Euro an Atmosfair. Dieser Klimaschutzbeitrag wird beispielsweise in den Bau einer Biogasanlage für Milchbauern (auf Basis von Kuhdung) in Kenia investiert. Die Wirkung der Projekte wird im sogenannten CDM-Gold-Standard am strengsten bewertet, zu dem 90 Prozent der Atmosfair-Projekte zählen.

Lerne Dein Ziel kennen

Wenn ich den Faden mit der Verantwortung weiterspinne, könnte ich in jeder meiner Konsumentscheidungen eigenen Einfluss und Verantwortung erkennen. Teilweise bin ich geneigt, das als Selbstüberschätzung abzutun. Andererseits lohnt sich meiner Ansicht nach der Blick auf das konkrete Beispiel. Das Schweizer Reiseportal Fairunterwegs.org (aus der Schweiz) will zu konkreten Handlungsmöglichkeiten für einen fairen Umgang mit Mensch und Natur informieren. Für jedes Land finde ich auf dem Portal Reiseinformationen und detailreiche, aktuelle Artikel.

Meine Idee für Italien: Für meine Reise nach Sizilien möchte ich auf jeden Fall eine Tour mit der sizilianischen Agentur Addiopizzotravel machen. In dieser Region wird es so deutlich wie fast nirgends (und ist dabei doch so nah und in Europa), wie wichtig eine bewusste Konsumentscheidung ist, welche Auswirkungen sie haben kann. In einer Region,m in der organisierte Kriminalität und Schutzgelderpressung zum Alltag gehören, wird die Entscheidung für oder gegen ein Restaurant auf einmal zu einer Entscheidung für oder gegen Schutzgelderpressung. Wer nein sagen möchte zu Schutzgelderpressung, kann sich bei Addiopizzo über schutzgeldfreie Restaurants und Initiativen informieren.

Nachhaltige Projekte und Unterkünfte suchen und unterstützen

Mein Fazit zu nachhaltigem Reisen: Ich habe immer eine Wahl. Wer seine Entscheidungen bewusst treffen will, findet die Informationen dazu. Im zweiten Teil zum Thema nachhaltig reisen schaue ich mir an, wie und wo ich nachhaltige Unterkünfte und Projekte finden kann. Bleibt dran!

Quellen

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Kategorien Reisetipps

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Stefanie lebt mit italienischer Familie am Lago Maggiore, im Norden des Piemont. Einen Ort entdecken heißt alle Sinne nutzen – sehen, hören, zuhören, berühren, schmecken. Die Sprache sprechen kann Wunder bewirken oder ein Tanz zu lokaler Musik!

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