Sommerstrand – Mit anderen Augen

Die braun gebrannten Oberkörper wie von Michelangelo gemeißelt. Hektisch gehen sie in kleinen Gruppen zum Steg und zur Ufermauer, die sie zum Sprungbrett machen. Gefahr – ein leeres Wort. Bei strahlend blauem Himmel und dreißig Grad besteht das höchste Glücksgefühl in einem Sprung in den See. Die Mädchen, kichernd, in Bikinis, flanieren in Grüppchen auf der Seepromenade. Unter der blendenden Sonne steht die Zeit still. An diesem Sommernachmittag gibt es nichts Wichtigeres als das Treiben am See. Wir, die Menschen über 16, existieren nicht.

Ich frage sie, ob die Sommer damals in ihrer Jugend auch so gewesen sind, wie das Treiben am See jetzt. Ihre Mutter habe sie nicht an den See hinuntergebracht, als sie noch zu klein war, um allein herzukommen. Die Straße vom Monterosso herunter gab es noch nicht. Als sie dann größer war, hätten ihre Brüder dafür gesorgt, dass sie zu Hause blieb, wie kleine Gefängniswärter. Pause. „Ich kann nicht schwimmen“, fügt sie hinzu und dass sie es wohl nicht mehr lernen werde. Ich behaupte, es sei unmöglich unterzugehen und führe den Toten Mann als Beweis an. In der ersten Schwimmstunde musste ich ins Wasser springen, um sogleich herausgefischt zu werden. Vertrauensbildende Maßnahme. Das Vertrauen ins Wasser wird besser früh erworben.

Ostsee im Sommer

Der See mit dem wohlklingenden Namen ist für mich kein Privileg, denke ich. Nur zwei S-Bahnstationen vom Ostseestrand entfernt aufgewachsen bestehe ich auf weißem Sand. In Orten kommt kein Strandgefühl auf. Sie fragt, ob es kalt ist im Sommer an meinem Meer. “Nein, kalt nicht, aber windig. Wir gehen immer mit Windschutz an den Strand”, gebe ich meine erste Ostseelektion. (Die FKK-Lektion halte ich für zu fortgeschritten. Diese Eigenheit wird bei einem Besuch früher oder später auffallen.) Ich blinzle in die Sonne und erinnere mich an meine eigenen Saltosprünge ins Wasser. Es gibt nichts Besseres als den Sommer an der See.

Ostseesand
Ostseesand

Lesetipp

Strandkörbe Ostseestrand
Strandkörbe Ostseestrand

Merken

Kategorien Leben & bloggen in Italien

über

Stefanie lebt mit italienischer Familie am Lago Maggiore, im Norden des Piemont. Einen Ort entdecken heißt alle Sinne nutzen – sehen, hören, zuhören, berühren, schmecken. Die Sprache sprechen kann Wunder bewirken oder ein Tanz zu lokaler Musik!

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert