Secondo me – meiner Meinung nach war ich gut auf Italien vorbereitet! Es handelt sich bei Italien um ein Mitgliedsland der EU und als überzeugte Europäerin nehme ich die Freizügigkeit als ein mir zustehendes Recht an. Nach Studien- und Arbeitsaufenthalten in Russland und Kasachstan bin ich auch in außereuropäischen Vorgehensweisen ein wenig erprobt. Ich kenne die Bedeutung des codice fiscale und habe diesen auf meiner Prioritätenliste entsprechend hoch eingestuft. Gleich nach
dem Streichen des Esszimmers und dem Auspacken von Kleidung und Geschirr begebe ich mich zu meinem italienischen Einwohnermeldeamt (Ufficio Anagrafe) um meinen Wohnsitzwechsel anzuzeigen, ja um mich zu registrieren. (Kennerinnen der russischen bzw. postsowjetischen Regeln horchen zu Recht beim Wort ‚registrieren‘ auf, das dort in seiner Bedeutung kaum überschätzt werden kann.) Aufgrund der in anderen Ländern gemachten Erfahrungen (postsowjetischer Raum!) verspüre ich angesichts der bevorstehenden Aufgabe eine leichte Unruhe, beruhige mich dann aber, da ich mich eindeutig in Europa befinde. Das Einwohnermeldeamt von Verbania befindet sich in Intra, dem produzierenden Ortsteil und ehemaligen Sitz zahlreicher Fabriken innerhalb des Stadtgebildes Verbania.
Sich zu registrieren oder sich nicht zu registrieren
Hinter einfachen Glasscheiben und ganz ohne Warteschlange oder Nummer erreiche ich meine erste freundliche Beamtin. Nachdem ich ihr mein Anliegen auf Italienisch vorgetragen habe, verweist sie mich gleich an ihre Kollegin weiter, sie kenne sich mit der Vorgehensweise in solchem Fall nicht gut genug aus. Gut, denke ich, es gibt ein paar Formulare auszufüllen, die auch auf der Seite des Anagrafe zugänglich sind – nach meiner Vorstellung aber keine wirkliche Hürde für eine Beamtin des Anagrafe darstellen können. Die Kollegin ist ebenfalls sehr freundlich und hilfsbereit: sie informiert mich, dass ich problemlos drei Monate lang ohne Registrierung in Verbania wohnen könne, bis sich meine Pläne geklärt hätten. An dieser Stelle werde ich etwas ungeduldig, denn auf meinem Plan für diesen Tag stehen auch die Agenzia delle entrate, um den alles (ich meine Steuern und Gesundheit) umfassenden codice fiscale zu erhalten und die Gesundheitsbehörde ASL um den Hausarzt zu wählen und diesem offiziell zugeteilt zu werden. So lege ich mein Anliegen erneut dar, diesmal mit dem Verweis auf die bestehende Meldepflicht und einem Unterstreichen der Dauer meiner persönlichen Pläne inklusive Wohnaufenthaltes in Verbania über drei Monate hinaus. Ich schiebe etwas entschiedener hinterher, ich würde die Anmeldung einfach jetzt sofort erledigen wollen und hätte die Dokumente und den dazugehörigen Italiener gleich mitgebracht. Entgegen meinen Erwartungen und entschieden entgegen meinem Wunsch wiederholt die Beamtin ihren freundlichen Rat, der jetzt einer ratsamen Empfehlung gleicht, doch einfach zu warten, da ja keine Eile bezüglich meiner Registrierung bestehe. Meine Analyse ergibt eine Verweigerungshaltung aus Unkenntnis und ich bemerke schnippisch, es sei kein Problem, ich würde mich dann eben in Turin(!) anmelden. (Sollte heißen: Was haben wir für ein Kleinstadtproblem?)
Die Beamtin und ich drehen und wenden unsere bereits vorgebrachten Argumente noch ein paar Mal hin und her bis ich entscheide, in die emotionale Offensive zu gehen. Ich präsentiere erneut mein nummeriertes EU-Dokument, welches uns schon auf Italienisch vorliegt so dass keine Übersetzung, Beglaubigung oder sonstiges notwendig ist. Ich gestehe der Beamtin kurzerhand, dass ich außer jetzt in Verbania keinen offiziellen Wohnort hätte, nirgendwo sonst angemeldet sei. Nach gefühlt einer Stunde Diskutierens durch eine Glasscheibe passiert es jetzt. Die Beamtin präsentiert mir fünf verschiedene Formulare, die ich und der Italiener auszufüllen und zu unterschreiben haben. Auf ihre mehrfach vorgebrachten Entschuldigungen winke ich freundlich lächelnd dankend ab. Ich bin einfach zu erschöpft, um mich siegreich zu fühlen. Wir müssen jetzt nur noch die marca da bollo kaufen und als Beleg der entrichteten Gebühr vorbei bringen.
Praktischerweise kaufen wir diese im Tabak- und Lottoladen gleich um die Ecke. Was aussieht wie eine Briefmarke, erinnert mich an die Mitgliedsmarken von Organisationen nach entrichtetem Jahresbeitrag und nach den Diskussionen, fehlenden Wartemarken fühle ich mich auf einmal wie in den 1980ern. Ich bin froh, dass sich ein Tabacchi, mit vollem Namen Sali tabacchi valori bollati, gleich um die Ecke befindet und auch Kaffee brüht – jetzt brauche ich einen caffé. Willkommen in Italien!
PS: Der für heute geplante post über das Lernen und Behalten von neuen Wörtern folgt in Windeseile! 🙂